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Das Massenwirkungs-Gesetz
Sonntag, den 06. April 2003 um 21:17 Uhr
Das Massenwirkungs-Gesetz (MWG) bezieht sich auf chemische Gleichgewichte und wurde aus kinetischen Untersuchungen an Gleichgewichtsreaktionen formuliert. Eine chemische Gleichgewichtsreaktion im Gleichgewichtszustand ist dadurch gekennzeichnet, daß die Konzentrationen der beteiligten Reaktionspartner unverändert bleiben. Das heißt aber nicht, daß die Reaktion zum Stillstand gekommen ist. Dieser scheinbare Stillstand kommt dadurch zustande, daß im Gleichgewichtszustand genauso viele Ausgangsstoffe (A und B) zu Endstoffen (C und D) reagieren wie Endstoffe wieder zu Ausgangsstoffen. Das Gleichgeicht ist also dynamisch und nicht statisch.

 

In einer allgemeinen Reaktionsgleichung geschrieben sieht das dann so aus:

 

 

Allgemeine Reaktionsgleichung

 

Die kleinen Buchstaben ist die jeweilige Anzahl an Molekülen welche miteinander reagieren. Der Doppelpfeil zeigt an, daß es sich um eine Gleichgewichtsreaktion handelt, d.h. daß die Reaktion in beide Richtungen verlaufen kann. Häufig werden die beiden Pfeile auch unterschiedlich lang gezeichnet. Ist z.B. der nach rechts gerichtete Pfeil sehr viel länger als der nach links gerichtete Pfeil, so bedeutet dies, daß das Gleichgewicht der Reaktion weit auf der rechten Seite liegt, d.h. die Konzentration der Endstoffe ist sehr viel höher als die Konzentration der Ausgangsstoffe .

 

Das MWG besagt nun , daß das Produkt der Konzentrationen der Endstoffe geteilt durch das Produkt der Konzentrationen der Ausgangsstoffe immer eine Konstante ist:

 

Massenwirkungsgesetz

 

Diese Konstante ist für die jeweilige Gleichgewichtsreaktion eine charakteristische Größe und hängt von der Temperatur und vom Medium (Lösungsmittel) ab. Im Bereich der Aquaristik interessieren uns hauptsächlich die Vorgänge im Medium Wasser.

Die eckigen Klammern bezeichnen die molaren Konzentrationen (also mol/l) der jeweiligen Stoffe, also die molare Konzentration des Stoffes A ist [A].

Da die kleinen Buchstaben die Anzahl der an der Reaktion beteiligten Moleküle darstellen, ist z.B bei a = 2 die Konzentration von A:

 

    [A]*[A] = [A]2

 

Angewendet auf verschiedenste Gleichgewichts-Reaktionen erlaubt uns das MWG die Berechnung der Konzentrationen der miteinander reagierenden Stoffe und die Ermittlung der Verschiebung von Gleichgewichten durch Konzentrationsänderungen.

 

Diese beiden Punkte sind für uns Aquarianer ausgesprochen wichtig. Das bekannteste Beispiel für den ersten Punkt ist die Beziehung zwischen pH, KH und CO2- Gehalt und die Berechnung einer Größe (meistens der CO2-Gehalt) aus den beiden anderen. Der zweite Punkt wird ständig bei der CO2- Düngung angewendet, da die "CO2"-Messröhrchen nicht direkt den CO2-Gehalt messen, sondern es befindet sich ein pH-Indikator da drin, welcher uns den pH-Wert anzeigt. Erst bei Kenntnis der KH läßt sich daraus die CO2-Konzentration im Aquarium bestimmen.

 

Wie kann man sich dies nun anschaulich vorstellen?

Am ehesten kann man eine Analogie zu einer Balkenwaage ziehen:

 

 

Waage im Gleichgewicht

 

 

An jedem Ende des Wägebalkens befindet sich eine Waagschale. Die Stütze des Wägebalkens befindet sich genau in der Mitte, also direkt unter dem Schwerpunkt der leeren Waage. Nur dann liegt der Balken genau waagerecht auf der Stütze.

 

Die Gewichte in den Waagschalen sind die Ameisen, also die an der Reaktion beteiligten Stoffe. Die linke Waagschale wird als Ameisen-Nest definiert. Chemisch 'liegen' hier die Ausgangsstoffe A und B der obigen Reaktionsgleichung. Die rechte Waagschale sei der Futterplatz der Ameisen, also das Analogon zu den Endstoffen der chemischen Reaktion. Die Ameisen wandern nun ständig vom Nest (linke Waagschale) zum Futterplatz (rechte Waagschale) hin und her. Dieses ständige Wandern der Ameisen ist das Analogon zum Reaktions-Pfeil in der Gleichgewichtsreaktion.

 

Der Motor, der die Ameisen ständig wandern läßt, ist zum einen der Hunger und zum anderen der Drang, zum Nest zurück zu gehen (Schlafen, Fortpflanzung). Auch bei den chemischen Reaktion ist ein 'Motor' (die Thermodynamik) vorhanden, der darüber entscheidet, ob zwei Stoffe miteinander reagieren oder nicht und auf welcher Seite das Gleichgewicht liegt. Dies soll hier aber nicht weiter ausgeführt werden.

 

Wenn genauso viele Ameisen vom Nest zum Futterplatz wandern wie gleichzeitig vom Futterplatz zum Nest, so bleibt der Balken waagerecht und das System befindet sich im Gleichgewicht. Auch hier handelt es sich, genau wie bei der chemischen Reaktion, um ein dynamisches Gleichgewicht. Es ist zwar viel 'Verkehr' auf dem Balken, aber die Menge der Ameisen in der rechten und der linken Waagschale bleibt konstant und das System hat seinen Gleichgewichtszustand erreicht.

 

Wie sieht es nun aber am Beginn einer Reaktion aus? Man hat zwei oder mehr Ausgangsstoffe und nach dem Zusammenschütten beginnt die Reaktion. Ändern wir also die Ausgangs-Situation ein wenig ab: Wir packen das Nest mit den Ameisen auf die linke Waagschale. Es befinden sich noch keine Ameisen am Futterplatz. Der Balken liegt also nicht mehr waagerecht auf der Stütze, sondern er neigt sich links bis ganz nach unten.

 

 

Waage im Umgleichgewicht

 

 

Da die Ameisen sehr hungrig sind, stürzen sie dann sofort los zur Futterstelle (Beginn der chemischen Reaktion). Sie können aber nicht alle gleichzeitig herüber wandern, weil der Balken schmal ist und nur eine bestimmte Anzahl gleichzeitig passieren läßt. Sie müssen also nacheinander wandern. Dies repräsentiert die Reaktionsgeschwindigkeit der chemischen Reaktion. Die linke Waagschale wird dadurch leichter, die rechte schwerer, also wird der Balken nun mehr langsam in die Horizontale wandern. Bevor aber alle Ameisen zur Futterstelle laufen konnten, sind die ersten bereits satt und begeben sich auf den Rückweg zum Nest, d.h. sobald die ersten Endprodukte gebildet wurden, kann die Rückreaktion einsetzen. Sie weden erst wieder zur Futterstelle laufen, wenn sie wieder Hunger bekommen. So wird sich der Balken nur langsam wieder in die Waagerechte einpendeln, und zwar je nach Geschwindigkeit der Hin- und der Rückreaktion, und das System befindet sich dann wieder im Gleichgewicht.

 

Ich habe bei diesem Analogon stillschweigend vorrausgesetzt, daß sich zur gleichen Zeit immer genauso viele Ameisen am Futterplatz aufhalten wie im Nest, d.h. sie genauso viel Zeit mit Fressen verbringen wie mit Aktivitäten im Nest. Wie sieht die Geschichte aber aus, wenn die Ameisen 2/3 ihrer Zeit mit Fressen verbringen und nur 1/3 der Zeit mit Aktivitäten im Nest?

 

 

Waage zurück zum Gleichgewicht

 

 

In diesem Fall ist die rechte Waagschale schwerer, da sich dort mehr Ameisen aufhalten als im Nest. Im Gleichgewichtszustand laufen aber trotzdem genausoviele Ameisen vom Nest zum Futter wie umgekehrt. Der Balken wäre hierbei aber nicht mehr waagerecht, sondern die rechte Waagschale wäre nach unten geneigt.

Der Gleichgewichtszustand einer Balkenwaage ist aber so definiert, daß der Balken waagerecht liegt. Dies kann in dieser Situation aber nur erreicht werden durch die Verschiebung der Stütze nach rechts, und zwar so weit, daß diese wieder unter dem Schwerpunkt der Waage zu liegen kommt. Dann befindet sich der Balken wieder in der Waagerechten. Da sich der Schwerpunkt aber nun nicht mehr in der Mitte der Waage befindet, sondern durch das unterschiedliche Gewicht der Waagschalen nach rechts verschoben wurde, kann man sagen:

Das Gleichgewicht liegt auf der rechten Seite.

In der chemischen Reaktionsgleichung wird dies häufig angedeutet durch die unterschiedliche Länge der beiden Reaktionspfeile. Ist der nach rechts zeigende Pfeil (Hinreaktion) sehr viel länger als der nach links zeigende Pfeil (Rückreaktion), so bedeutet das, daß das Gleichgewicht starkt auf der rechten Seite, also bei den Endprodukten, liegt.

 

Der Schwerpunkt in unserem Analog-Beispiel symbolisiert die Gleichgewichtskonstante der Reaktion. Sie ist eine charakteristische Größe für die chemische Reaktion und zeigt damit an, auf welcher Seite das Gleichgewicht der jeweiligen Reaktion liegt. Übertragen auf unsere Ameisen würde das bedeuten: Bei Ameisenart 1 ist es genetisch festgelegt, daß die die Hälfte der Zeit mit Fressen und die andere Hälfte im Nest verbringen. Der Schwerpunkt im Gleichgewichtszustand befindet sich also in der Mitte der Waage. Bei Ameisenart 2 ist es genetisch verankert, daß die 2/3 der Zeit mit Fressen, aber nur 1/3 im Nest verbringt. Der Schwerpunkt im Gleichgewichtszustand liegt dann weiter rechts.

 

Die Lage des Gleichgewichtes, also die Gleichgewichtskonstante, ist Temperaturabhängig. Bezogen auf unsere Ameisen bedeutet das, daß bei höherer Temperatur der Stoffwechsel schneller wird, die Tierchen also mehr Hunger haben. Also verbringen sie mehr Zeit an der Futterstelle als bei niedrigeren Temperaturen. Das Gleichgewicht wird also nach rechts verschoben (endotherme Reaktionen werden begünstigt). Den umgekehrten Fall gibt es bei den chemischen Reaktionen aber auch.

 

Die obige Formulierung des MWG gilt nur für stark verdünnte Lösungen, denn es setzt vorraus, daß zwischen den einzelnen gelösten Teilchen keine Wechselwirkungen stattfinden. Dies ist aber in stärker konzentrierten Lösungen nicht der Fall. Daher wird statt der Konzentration mit einer 'wirksamen' Konzentration gerechnet, welche diese Wechselwirkungen berücksichtigt. Diese 'wirksame' Konzentration nennt man "Aktivität" und sie ist in der Regel kleiner als die meßbare Konzentration.

 

Das MWG in seiner allgemeinen Form besagt nun, daß das Produkt der Aktivitäten der Endstoffe geteilt durch das Produkt der Aktivitäten der Ausgangsstoffe immer eine Konstante ist. Die Aktivität a ist mit der Konzentration c über den Aktivitätskoeffizienten f verknüpft:

 

    a = f * c

 

Für stark verdünnte Lösungen wird f = 1 und man kann mit den Konzentrationen rechnen ohne daß der Fehler zu groß wird.

Zuletzt aktualisiert am Sonntag, den 11. Juli 2010 um 09:48 Uhr